Mobilitätsangebote im ländlichen Raum

Der Geltungsbereich des Personenbeförderungsgesetzes

Das ÖPNV-Angebot in den ländlichen Räumen lässt sich in drei Typen von Angebotsformen unterscheiden:

  • den klassischen Linienverkehr,
  • die flexiblen Angebotsformen sowie
  • die alternativen Angebotsformen.

Diese Formen können sich hinsichtlich verschiedener Gesichtspunkte überschneiden und es ist schwer, diese definitorisch klar voneinander abzugrenzen. Die Begriffe sind daher vornehmlich aus der Praxis geprägt.

Eine erste Unterscheidung der Angebotsformen besteht darin, ob diese innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereiches des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) liegen. Der klassische Linienverkehr sowie die flexiblen Angebotsformen – in der Regel also verschiedene Formen des Bedarfsverkehrs – unterliegen dem Geltungsbereich des PBefG und werden insbesondere nach den §§ 42 ff PBefG gehandhabt. Öffentlich zugängliche Verkehrsangebote, die nicht unter den Geltungsbereich des PBefG fallen, werden hingegen den alternativen Angebotsformen zugeordnet.

In der Regel fällt eine Angebotsform also in den Bereich des PBefG, wenn eine entgeltliche und geschäftsmäßige Beförderung von Personen vorgenommen wird. Die Geschäftsmäßigkeit tritt dann ein, wenn das Gesamtentgeld für die angebotenen Dienstleistungen die Summe der Betriebskosten übersteigt.  ÖPNV-Angebote, welche unter das PBefG fallen, sind vor konkurrierenden Angeboten geschützt. Im Rahmen ihrer Planung, Einführung und Umsetzung unterliegen sie jedoch verschiedenen Pflichten und Genehmigungsprozessen: Die Genehmigungspflicht, sowie die Linienkonzession wurde oben bereits angesprochen, darüber hinaus besteht aber zum Beispiel auch eine Beförderungspflicht gegenüber den Fahrgästen und auch die Festlegung der Tarife kann nur in Abstimmung mit den relevanten Behörden erfolgen. Die Fahrleistung darf nur von Fahrern erbracht werden, die im Besitz eines Personenbeförderungsscheines sind und das betreibende Unternehmen muss eine gewisse Leistungsfähigkeit vorweisen können.

 

Weitere Informationen:
→ ÖPNV in ländlichen Räumen
Herausforderungen und Problemlagen
→ Zentrale Akteure 
Beispiele aus der Praxis
→ Glossar 
→ Literaturhinweise

Alle Informationen finden Sie außerdem gebündelt in Form unserer Kompendiums → hier in unserem Downlaodbereich.

Klassischer Linienverkehr des ÖPNV

Der Linienverkehr stellt die klassische Angebotsform des ÖPNV dar und dient in den ländlichen Räumen zur Generierung einer Basisversorgung wie der Verbindung von Zentren untereinander. Die Busse (oder andere Fahrzeuge) im Rahmen des Linienverkehrs verkehren nach einem Fahrplan mit definierten Haltestellen und somit auch einer festen Fahrtroute sowie festgelegten Ab- und Ankunftszeiten, welche unabhängig der Verkehrsnachfrage stets eingehalten werden.

Somit ist der Linienverkehr angebotsorientiert ausgestaltet und eignet sich für Regionen und Zeiträume, in denen eine regelmäßige und stetige Fahrgastnachfrage vorhanden ist, jedoch nicht für die effiziente Bedienung geringer Nachfragepotenziale.

 

Flexible Angebotsformen

Neben dem Linienverkehr haben sich haben sich Varianten mit kleinen Bussen oder Taxis etabliert, die bedarfsgerecht ein Angebot in Schwachlastzeiten und Schwachlasträumen anbieten. Bedarfsgerecht bedeutet hier, dass die Fahrten nur durchgeführt werden, wenn ein Fahrtwunsch vorliegt – also bei einer präzisen angemeldeten Verkehrsnachfrage – wodurch Leerfahrten vermieden werden können. Diese bedarfsgesteuerten Angebotsformen oder deren Kombination mit Linienverkehrsmitteln werden genutzt, wenn eine zeitlich und/oder räumlich schwache Nachfrage herrscht.

Mit der Einführung flexibler Bedienungsformen werden in der Regel zwei Ziele verfolgt:

  • Zum einen sollen die hohen Kosten, die die Aufrechterhaltung eines Linienverkehrs durch eine Erhöhung der Wirtschaftlichkeit vermindert werden.
  • Zum anderen soll es zu einer Verbesserung des oftmals unzureichenden Mobilitätsangebotes in den ländlichen Räumen kommen.

Formen der Verbesserung können sich dabei aus der Schaffung neuer oder veränderter Mobilitätsangebote ergeben oder aus der qualitativen und/oder quantitativen Aufwertung bereits bestehender Angebote. Viele Verkehrsunternehmen nutzen eigene „Marketingbegriffe“ für diese Form der Mobilität, trotzdem muss das Angebot für den Kunden direkt identifizierbar sein. In den letzten 30 Jahren haben die flexiblen Angebotsformen stark an Bedeutung gewonnen

Kombination von Linien- und Bedarfsverkehr

Der Facharbeitskreis „Mobilität“ empfiehlt in dem, vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur herausgegebenen Papier „Anpassungsstrategien zur regionalen Daseinsvorsorge“ (BMVI 2015) zur Umsetzung flexibler Bedienungsformen, zunächst die Etablierung eines angebotsorientierten Grundnetzes, welches weiterhin durch den herkömmlichen Linienverkehr bedient wird. Dieses soll als „schnelles Netz“ fungieren und nur einen geringen Reisezeitunterschied im Vergleich zu einer Fahrt mit dem PKW aufweisen. Das Grundnetz dient zur Verbindung der zentralen Orte untereinander und der Anknüpfung an das übergeordnete öffentliche Verkehrsnetz. Hier ist also mit einer hohen Zahl an Nutzern und hohen Bedarfen zu rechnen. Die Erschließung der Zwischenräume erfolgt nachfrageorientiert mittels flexibler Bedienformen. Wichtig bei der Etablierung von Grund- und Nebennetzen ist nicht nur die räumliche Verknüpfung der beiden Netze, sondern auch die Vertaktung der Fahrpläne,

sodass sich kurze Umsteigezeiten ergeben. Denn auch die kombinierte Nutzung des Neben- und Hauptnetzes soll dem Fahrgast eine komfortable und schnelle Lösung bieten.

Formen der Flexibilisierung

Zur Flexibilisierung der Bedienungsformen in den Nebennetzen bestehen verschiedene Möglichkeiten, die im, vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung herausgegebenen „Handbuch zur Planung flexibler Bedienungsformen im ländlichen Raum“ (BMVBS 2009) zusammengetragen sind. Allen gemein ist, dass die Fahrten durch sogenannte Anrufbusse bzw. Anruf-Sammeltaxis durchgeführt werden. Koordiniert werden die Systeme in der Praxis meist über eine Mobilitätszentrale in der die Anfragen entgegengenommen, die Fahrten geplant und an die Fahrer übermittelt werden.

Die flexiblen Angebotsformen sind in unterschiedlichem Grade räumlich, wie auch zeitlich flexibilisiert:

  • Die räumliche Flexibilisierung umfasst die flexible Gestaltung der Verbindung zwischen Quell- und Zielort sowie den Zu- und Ausstieg für den Fahrgast.
  • Die zeitliche Flexibilität ergibt sich daraus, ob und inwiefern dem System ein Fahrplan zu Grunde liegt.

Bei den fahrplangebundenen Systemen ist eine Fahrplanbindung in verschiedenen Graden möglich: So können z.B. nur die Abfahrtszeiten an der Starthaltestelle jedoch nicht an den Zwischenhaltestellen festgelegt werden. Bei nicht fahrplangebundenen Systemen ist der Grad der Flexibilisierung erhöht, da hier der Fahrgast selbst die gewünschte Abfahrtszeit auswählt. Eine zeitliche Flexibilisierung ermöglicht vor allem die Befriedigung der zeitlich schwer zu bündelnden Mobilitätsbedürfnisse wie Einkaufs- und Freizeitwege, die in der Regel nicht auf die Spitzenstunden ausgerichtet sind. Die verschiedenen Angebotsformen sind in der Abbildung grafisch dargestellt.

Beim Bedarfslinienbetrieb steht die Fahrtstrecke wie beim klassischen Linienverkehr fest, jedoch ist für die Durchführung einer Fahrt eine Anmeldung erforderlich. Die Fahrt kann also je nach Anmeldungen auch auf nur einem Teil der Strecke oder gar nicht erfolgen. Die Abfahrtszeit an den jeweiligen Haltepunkten richtet sich nach einem Fahrplan, in dem die möglichen Abfahrtszeitpunkte angegeben sind. Diese Betriebsform eignet sich besonders für die Bedienung von Siedlungsbändern.

Beim Sektorbetrieb fallen Start- und Zielhaltestelle in einem einzigen Verknüpfungspunkt zusammen. In einer Rundfahrt werden die Fahrgäste im Umland sowohl gesammelt als auch verteilt.

Beim Richtungsband- und Flächenbetrieb ist die Verbindung zwischen Quelle und Ziel vollständig flexibel gestaltet, beide Bedienformen eignen sich für die Flächenerschließung in Räumen mit dispers verteilten Siedlungen. Beim Richtungsbandbetrieb kann ein größerer räumlicher Bereich, je nach Bedarf bedient werden. In der Regel verfügen Systeme des Richtungsbandbetriebes über mindestens zwei fest bediente Haltestellen, welche häufig Verknüpfungspunkte eines übergeordneten Netzes darstellen. Der exakte Fahrtverlauf ergibt sich jedoch erst aus den angemeldeten Fahrtwünschen, ist aber immer richtungsgebunden. Die Ausgestaltung der Art und Anzahl der einzelnen Richtungsbänder orientiert sich an der Nachfrage- und Siedlungsstruktur.

Der Flächenbetrieb orientiert sich damit weder an einer festen Fahrtroute noch an einem Fahrplan – er ist also sowohl in räumlicher als auch zeitlicher Hinsicht völlig flexibilisiert. Es gibt weder Start- noch Zielhaltestellen und keine definierte Fahrtrichtung. Der Verlauf der Fahrt ergibt sich vielmehr aus den Einstiegsorten und dem jeweiligen Ziel der Fahrgäste: Die Fahrt erfolgt entweder ähnlich wie bei einem Taxi direkt vom Quell- zum Zielort oder ergibt sich – bei mehreren Fahrgästen – aus den Zu- und Ausstiegsorten der einzelnen Fahrgäste. Jedoch muss in der Regel entweder der Quell- oder der Zielort einer Haltestelle entsprechen – eine Beförderung von einer frei gewählten Adresse zu einer anderen frei gewählten Adresse ist ausgeschlossen. Diese am flexibelsten ausgestaltete Bedienungsform ist insbesondere in nachfrageschwachen Räumen ökonomisch am rentabelsten.

Die skizzierten Systeme können in der Praxis in abgewandelter wie auch kombinierter Form auftreten, woraus sich spezifische Angebotsformen ergeben, die bestmöglich an die siedlungs- und bevölkerungsstrukturellen Gegebenheiten der Teilräume angepasst sind.

Durchgeführt werden die Fahrten in der Regel von sogenannten Rufbussen (oftmals in Form von Kleinbussen), die von den ÖPNV-Anbietern der Region durchgeführt werden und zumeist in das Tarifsystem der Verkehrsverbünde eingegliedert werden können. Darüber hinaus gibt es Anruf-Sammeltaxis, die zumeist in Kooperation mit den ortsansässigen Taxi-Unternehmen in das ÖPNV-Angebot integriert werden. Diese gliedern sich in der Regel zwar auch in den ÖPNV-Tarif ein, oftmals ist jedoch ein Aufpreis (Komfortzuschlag) zu bezahlen.

Sonderform Bürgerbus

Eine Besonderheit im Rahmen der flexiblen Bedienungsformen stellt der sogenannte Bürgerbus dar, der die Möglichkeit bietet, durch bürgerschaftliches Engagement Mobilitätsbedürfnisse zu bedienen, die in Schwachlastzeiten oder -räumen nachgefragt werden und einen regulären Bus- oder Rufbusbetrieb nicht rechtfertigen. Bürgerbuskonzepte lassen sich in öffentlich- und zivilgesellschaftlicher Zusammenarbeit oder als rein zivilgesellschaftliche Lösungen umsetzen. Wird der Bürgerbus in öffentlich-zivilgesellschaftlicher Zusammenarbeit umgesetzt, ist er in den ÖPNV im Sinne eines Linienbetriebes auf konzessionierten Strecken integriert, dies entspricht § 42 PBefG.

Im öffentlich-zivilgesellschaftlichen Bürgerbuskonzept, werden die Fahrzeuge von der öffentlichen Hand (in der Regel durch die Kommune oder einen interkommunalen Verbund) gefördert und sind als Fahrzeuge für den öffentlichen Nahverkehr Eigentum des ÖPNV-Aufgabenträgers. Sie verkehren in der Regel fahrplangebunden, wobei der Fahrplan auf die örtlichen Bedürfnisse und Zielgruppen abgestimmt ist. Sie können somit z.B. in unterversorgten Gebieten mit Angeboten der Daseinsvorsorge verknüpft werden: Als Marktbusse ermöglichen sie der immobilen Bevölkerung die Fahrt zum Einkauf, gleiches kann in Form von Patientenbussen für Arztbesuche gelten. Die Beförderung erfolgt durch ehrenamtliche Bürger, welche in einem Verein organisiert sind, der die Bürgerbuslinie betreibt. Hieraus ergeben sich Kosteneinsparungen, da die Personalkosten wegfallen. Damit ein Bürgerbus funktioniert, sind alle Seiten gefordert: Neben den ehrenamtlichen Fahrern müssen auch die Nutzer das Konzept akzeptieren und durch eine aktive Nutzung unterstützen. Die Verantwortlichen von öffentlichen Seite müssen den Verein tragen und in die Anschaffung des Fahrzeuges investieren.

 

Alternative Angebotsformen

Die alternativen Angebotsformen unterliegen nicht dem Wirkungsbereich des PBefG, sondern sind in der Regel genehmigungsfrei. Darüber hinaus gibt es hier keine klar definierten Aufgabenträger und sie liegen außerhalb der Nahverkehrspläne oder Bedarfsverkehrskonzepte und werden oft von privaten Unternehmen, Vereinen oder sozialen Institutionen angeboten. Im Gegensatz zum Linienverkehr und den flexiblen Angebotsformen hat der Fahrgast zudem keine Beförderungsgarantie. Die alternativen Angebotsformen nutzen somit Verkehrsdienstleistungen, die öffentlich verfügbar sind, aber mit Ausnahme der sozialen Fahrdienste nicht professionelles Fahrpersonal einsetzen bzw. benötigen. Oft wird eine einmalige Registrierung oder Anmeldung vor dem ersten Personentransport verlangt.

Auch diese Angebotsformen können hinsichtlich verschiedener Faktoren unterschieden werden, wie Abbildung 5 entnommen werden kann. Zuerst gilt die Differenzierung nach der Rolle des Fahrgastes. Er kann sowohl Mitfahrer als auch Selbstfahrer sein. Nutzt er als Mitfahrer das sogenannte Ridesharing so sind die Fahrtanbieter Privatpersonen. Zudem kann er auch einen sozialen Fahrdienst in Anspruch nehmen. Ist der Fahrgast in der Position des Selbstfahrenden, so greift er lediglich auf öffentlich oder auch privat bereit gestellte Fahrzeuge (im Rahmen von Car- oder Bike-Sharing-Angeboten) zurück, um sich fortzubewegen.

Beim Ridesharing handelt es sich um ein öffentlich, jedoch nicht zwingend kostenlos zugängliches Mitnahmesystem. Dabei werden freie Plätze im privaten Pkw zu Verfügung gestellt. Das Teilen von Fahrzeugen im Sinne einer solchen organisierten Mitnahme, zählt zu den „peer-to-peer“-Ansätzen (p2p). Dies steht für „gleich-zu-gleich“ und beschreibt eine nicht-gewerbliche Beförderung von Personen. Jedoch kann die Grenze zwischen privater Mitnahme und gewerblicher Beförderung in der Praxis nicht so leicht gezogen werden: Nach derzeitiger Rechtslage ist die rechtliche Schwelle dann erreicht, wenn die Einnahmen aus der Mitnahme die Betriebsausgaben übersteigen. Die Information dieser Mitfahrgelegenheit wird meist über Online-Plattformen kommuniziert.

Der soziale Fahrdienst entspricht einem Verkehrsangebot, welches sich stark an den Anforderungen der jeweiligen Fahrgäste orientiert. Bei diesen handelt es sich meist um Personen mit Mobilitätseinschränkungen unterschiedlicher Art. Die Fahranbieter sind soziale oder institutionelle Einrichtungen. Das planbare und regelmäßige Angebot erfolgt nach festgelegten Kriterien.

Möchte der Fahrgast selbst als Fahrzeugführer tätig sein, so kann das Carsharing genutzt werden. Dies ist eine organisierte gemeinschaftliche Nutzung von Kraftfahrzeugen. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur definiert die Verkehrsmittel des Carsharings als „Kraftfahrzeuge, welche von unbestimmt vielen Selbstfahrern auf Basis einer Rahmenvereinbarung zur selbstständigen Nutzung angeboten werden“. Die Rahmenvereinbarung beinhaltet außerdem die Energiekosten mit einschließenden Zeit- und /oder Kilometertarifen.

Wird nicht der PKW sondern das Fahrrad vom Fahrgast selbst gesteuert, so handelt es sich um sogenanntes Bikesharing. Die Fahrräder befinden sich im öffentlichen Raum und ermöglichen das Mieten der Räder unabhängig von Öffnungszeiten. Es gibt feste Stationen vor Ort, jedoch muss die Entleihungsstation nicht identisch mit der Rückgabestation sein. Diese Variante unterscheidet sich beispielsweise durch Spezialanfertigungen, 24-Stunden-Angeboten und dem Zugang mit Mobiltelefon bzw. Kundenkarte vom traditionellen Fahrradverleihen.